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Kraus, L., Bauernfeind, R.

Repräsentativerhebung zum Konsum psychoaktiver Substanzen bei Erwachsenen in Deutschland 1997

1998

Sucht, 44 (Sonderheft 1), S3-S82

Die Bundesstudie zum Gebrauch psychoaktiver Substanzen wird im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit seit 1980 in unregelmäßigen Abständen von zwei bis fünf Jahren durchgeführt. Die Erhebung von 1997 ist nach 1995 die zweite Befragung in Folge, die ausschließlich den Gebrauch psychotroper Substanzen bei 18-59jährigen Erwachsenen erfaßt. An dieser schriftlichen Befragung nahmen 8020 Personen teil. Die Ausschöpfungsquote lag bundesweit bei 64,9%. Alle Hochrechnungen beziehen sich - wenn nicht anders angegeben - auf das Altersspektrum 18 bis 59 Jahre.

Aktuelle Ergebnisse:
Illegale Drogen. In den alten Bundesländern haben 14,2%, in den neuen Bundesländern 4,8% der befragten 18-59jährigen zumindest einmal im Leben illegale Drogen genommen (Lebenszeitprävalenz). Hochgerechnet auf die Wohnbevölkerung (WB) sind dies in Westdeutschland 5,7 Mio. und in Ostdeutschland 400.000 Personen. In den letzten 12 Monaten vor der Erhebung (aktuelle Prävalenz) haben in Westdeutschland 4,9% der Befragten (WB: 2,0 Mio.) Drogen genommen, in Ostdeutschland liegt der Anteil bei 2,7% (WB: 220.000). Der größte Teil der Drogenerfahrung in Deutschland bezieht sich auf den Konsum von Cannabis. Etwa die Hälfte der Cannabiserfahrenen sind Probierer mit einer Konsumfrequenz von bis zu fünfmal. Hochgerechnet auf die Wohnbevölkerung nehmen etwa 240.000 18-59jährige regelmäßig Cannabis (an 20 bis 30 Tagen innerhalb der letzten 30 Tage vor der Erhebung). Das in den letzten Jahren gewachsene Interesse an Ecstasy spiegelt sich auch in den Daten der Bundesstudie wider, auch wenn die Prävalenzwerte - anders als in Großstadtregionen - im Durchschnitt geringer ausfallen und bei weitem noch nicht das Ausmaß des Cannabiskonsums aufweisen. Der Anteil der aktuellen Konsumenten an allen Ecstasyerfahrenen ist deutlich höher als bei anderen illegalen Drogen. So hat in Westdeutschland über die Hälfte der Ecstasyerfahrenen auch in den letzten 12 Monaten Ecstasy genommen. Schätzungsweise konsumierten in Deutschland in den letzten 12 Monaten vor der Erhebung 380.000 18-59jährige Ecstasy.

Alkohol: Aus den Angaben zum Alkoholkonsum in den letzten 12 Monaten wird der Durchschnittskonsum in Gramm Reinalkohol pro Tag berechnet. Einen starken Alkoholkonsum mit durchschnittlich mehr als 40/20g Reinalkohol pro Tag weisen 15,2% (WB: 3,8 Mio.) der Männer und 8,4% (WB: 2,0 Mio.) der Frauen auf. Bezogen auf die Gesamtstichprobe ergibt sich ein Pro-Kopf-Verbrauch in Liter Reinalkohol von 9,2 Liter für Männer und 3,0 Liter für Frauen im Jahr. Die Differenz zu dem aus den Verbrauchszahlen errechneten Pro-Kopf-Konsum von 10,9 Liter erklärt sich aus sozial erwünschten Angaben der Respondenten, dem Fehlen besonderer Trinkanlässe wie Jahreswechsel im Erhebungszeitraum sowie der Tatsache, daß die „Verbrauchszahlen" nicht den tatsächlichen Verbrauch, sondern die produzierte Menge an Reinalkohol schätzen.

Medikamente: Insgesamt haben etwa 16% der Befragten (Männer 11,5%, Frauen 19,5%) im letzten Monat zumindest einmal pro Woche Medikamente mit psychoaktiver Wirkung eingenommen (WB: 2,8 Mio. Männer; 4,6 Mio. Frauen). Erfaßt wurde der Konsum von Schmerzmitteln, Schlafmitteln, Beruhigungsmitteln, Anregungsmitteln, Abführmitteln sowie Appetitzüglern. Nach Altersgruppen zeigt die Prävalenz beider Geschlechter einen J-förmigen Verlauf mit einem Minimum in der Altersgruppe der 25-29jährigen. Am höchsten ist sie bei den 50-59jährigen (Männer 19,0%; Frauen 28,3%).

Tabak. Der Anteil der Raucher beträgt bei den Männern 43%, bei den Frauen 30%. Hochgerechnet auf die 18-59jährige Bevölkerung sind dies 17,8 Mio. Raucher, von denen 6,7 Mio. im Mittel 20 oder mehr Zigaretten pro Tag konsumieren. Befragt nach ihrer Einstellung zum Rauchen, fordern 86% der Befragten rauchfreie Zonen in Gaststätten, 84% ein Rauchverbot in allen öffentlichen Verkehrsmitteln, 74% ein Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden sowie 70% ein Rauchverbot am Arbeitsplatz. Ein Verbot der Tabakwerbung befürworten 60%.

Negative Folgen des Konsums:
Illegale Drogen. Von den aktuellen ausschließlichen Cannabiskonsumenten berichten in den letzten 12 Monaten 12,6% (WB: 180.000) zumindest eine negative Konsequenz des Cannabiskonsums (z.B. Probleme mit Freunden, Finanzen, Gesundheit etc.). Bei den Konsumenten auch anderer illegaler Drogen als Cannabis waren es 27% (WB: 200.000). Erstmalig wurden auch Mißbrauch und Abhängigkeit von illegalen Drogen nach DSM-IV erfaßt. Während in den neuen Bundesländern nur sehr wenige Fälle von Mißbrauch oder Abhängigkeit aufgetreten sind, erhalten in Westdeutschland bezogen auf die letzen 12 Monate 1,4% der 18-59jährigen eine Mißbrauchs- oder Abhängigkeitsdiagnose (WB: insgesamt 550.000). Abhängigkeitsdiagnosen sind überwiegend bei Cannabis, Mißbrauchsdiagnosen überwiegend bei Cannabis und Ecstasy zu beobachten.

Alkohol. Mit einer Reihe von Instrumenten wurden erstmals die schädlichen Auswirkungen des Alkohols erfaßt. Ein allein über reine Konsummengen ermittelter riskanter Alkoholkonsum (mehr als 40/20g Reinalkohol für Männer/Frauen) läßt sich bei 11,8% der Befragten feststellen (WB: 5,8 Mio.). Das von der WHO entwickelte Früherkennungsinstrument AUDIT erfaßt einen riskanten sowie bereits problematischen Alkoholkonsum, der mit hoher Wahrscheinlichkeit zu physischen, psychischen und sozialen Folgeschäden führt. Demnach sind 21,7% (WB: 10,5 Mio.) durch ihren Alkoholkonsum gefährdet. Die Ergebnisse des CAGE-Tests bezogen auf die letzten 12 Monate sowie die Kriterien des Klassifikationssystems für Krankheiten DSM-IV deuten auf einen Anteil von derzeit ca.8-9% der 18-59jährigen (WB: 3,9-4,4Mio.) mit Alkoholmißbrauch oder -abhängigkeit hin. Zumindest einmal im Leben sind bei 15-16% (WB: 7,3-7,8 Mio.) der Befragten schon einmal Mißbrauch oder Abhängigkeit aufgetreten.

Änderungen seit 1980:
Illegale Drogen. Nach einer Phase der Zunahme des Drogengebrauchs Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre hat sich die Prävalenz des Konsums illegaler Drogen 1997 auf dem Niveau von 1995 eingependelt und gegenwärtig ein Plateau erreicht. In Ostdeutschland nimmt die Lebenszeiterfahrung auch nach 1995 weiterhin leicht zu. Während die 12-Monats-Prävalenz bei den 18-39jährigen in Westdeutschland nach 1995 eine stabile bis rückläufige Tendenz aufweist, steigt auch die 12-Monats-Prävalenz in Ostdeutschland in dieser Altersgruppe weiter an. Bei den jüngeren Erwachsenen (18-24 Jahre) läßt sich jedoch seit 1990 sowohl bei der Cannabis- als auch bei der Ecstasyprävalenz kaum eine Konvergenz zwischen Ost- und Westdeutschland feststellen. Hier spielen möglicherweise Unterschiede in den Randbedingungen in den beiden Teilen Deutschlands eine Rolle.

Alkohol. Die Indikatoren des Alkoholkonsums - Prävalenz des Konsums und Konsumhäufigkeit - weisen im Zehn- bzw. Sieben-Jahresvergleich übereinstimmend auf eine leichte rückläufige Tendenz von Verbreitung und Häufigkeit des Alkoholkonsums hin. Für Aussagen über die Entwicklung von Trinkmengen ist der Beobachtungszeitraum seit der Änderung der Erfassungsmethode (Frequenz-Menge-Index) zu kurz.

Tabak. Ein Vergleich der Entwicklung der 18-24jährigen seit 1980 läßt in Westdeutschland einen erheblichen Rückgang der Raucherprävalenz erkennen. Parallel dazu hat sich der Anteil täglicher Raucher und Raucherinnen sowie der Anteil starker Raucher (tägliche Raucher mit einem Konsum von mehr als 20 Zigaretten pro Tag) in Westdeutschland seit 1980 deutlich reduziert. Bei den Älteren zeigen sich mit Ausnahme des deutlichen Rückgangs täglichen Rauchens bei den 25-39jährigen keine wesentlichen Unterschiede seit 1990, bzw. 1995. Auch in Ostdeutschland zeigt sich im Sieben-Jahresvergleich bei einer in etwa gleichbleibenden Raucherquote ein leichter Rückgang in den Anteilen der täglichen Raucher und Raucherinnen. Die Anteile der starken Raucher weisen im Zeitvergleich dagegen keine Veränderungen auf. 

Gefördert durch das Bundesministerium für Gesundheit